Unterschiede entdecken und überwinden

Von der Moschee in die evangelische Kirche am Bahnhof ging es für eine siebte Klasse der Taunusschule: Die erlebten einen „Dialog der Religionen”, der Verständnis, Toleranz und Respekt befördern soll.

Größer könnte der Kontrat kaum sein, den die Schüler einer siebten Klasse der Taunusschule in Bad Camberg an diesem Morgen erleben: Eben waren sie noch in der Moschee der Türkisch-Islamischen Gemeinde, um in einem rund 90-minütigen Crah-Kurs den Islam kennenzulernen. Jetzt sitzen sie in der evangelischen Kirche am Bahnhof und hören Pfarrerin Katrin Adams zu, die einige Besonderheiten des Christentums und ihre Kirche im Zentrum von Limburg beschreibt. Was besser ist, kann man nicht sagen, formuliert ein Junge nachdenklich. Er ist katholisch, geht zweimal im Monat in den Gottesdienst und findet es hier, in der Kirche am Bahnhof, „irgendwie komisch”. Und genau darum geht es an diesem Vormittag, den der Deutsche Kinderschutzbund (DKSB in Zusammenarbeit mit Vielfalt-Demokratie-Toleranz (ViDeTo)) Limburg-Weilburg durchgeführt: Um einen Dialog der Religionen, bei dem die Jugendlichen Unterschiede erkennen und respektieren sollen.

Schuhe ausziehen 

Zunächst also in der Moschee, in der Hayati Bozkurt erklärt, weshalb die Schuhe ausgezogen werden sollen, was es mit der Gebetsnische und dem Lehrerstuhl auf sich hat. Hayati Bozkurt ist kein Theologe, sondern unterrichtet an der Taunusschule Sport und Mathematik. Außerdem ist er Moslem — so wie etwa ein Drittel seiner Klasse. In der prachtvoll gestalteten Moschee in Limburg sind aber auch die meisten der moslemischen Schüler zum ersten Mal. „Viel schöner als die Moschee in Bad Camberg” sei das hier, findet ein Junge. Alles würde strahlen: der Kronleuchter, die gekachelten Wände und verzierten Decken. Was in den gemalten Rosetten steht, weiß er nicht. „Ich kann Türkisch, aber kein Arabisch”, sagt er. Der Lehrer erklärt und wird dabei von Döndü Diker unterstützt, einer Elternbeirätin der Moschee-Gemeinde. Stört es sie, dass die Mädchen ihre Haare nicht bedecken? Döndü Diker lacht: „Erstens beten wir jetzt nicht, und zweitens sind wir offen und tolerant.”

Respekt zeigen

Und respektvoll. Etwa, als sie die Schüler auffordert, sich „im Halbmond um die Blume” auf den Teppich zu setzen, weil der Imam, Fatih Cakir, eine Sure vorgetragen wird, die Mehmet Senel, Koordinator des Projekts „Hessische Muslime für Demokratie und Vielfalt” anschließend übersetzt. kein Schubsen oder Kichern, kein Griff zum Smartphone. Auch nicht, als die Schüler auf die Frauen-Galerie im Obergeschoss der Moschee gehen und auf den Gebetsruf, den „Ezan”, warten. Fünfmal am Tag ruft der Imam die Gläubigen zu Gebet. So beeindruckt sind die jungen Leute von der meditativen Wirkung der kräftigen, sonoren Stimme des Geistlichen, dass einer fragt, ob man nicht noch bleiben und den Besuch der christlichen Kirche auf einen anderen tag verschieben könne? Da würde man sich ohnehin auskennen, meint er und ist mit dieser Einschätzung vielleicht ein wenig voreilig. Den die evangelische Kirche am Bahnhof steckt ebenfalls voller Überraschungen für die Schüler. Zum Beispiel, weil man erst in den zweiten Stock klettern muss, um ins Kirchenschiff zu gelangen. Und weil diese Kirche eigentlich überhaupt nicht wie eine Kirche aussieht, findet ein Mädchen. Da ist sie von ihrer Pfarrkirche in Bad Camberg anders gewöhnt: Fest installierte Bänke, ein Altar mit Kreuz und bunte, leuchtende Fenster. Verglichen mit „ihrer” Kirche und mit der Moschee sei dieser Raum hier, nun ja, karg.

Diese Unterschiede festzustellen, ohne sie gegeneinander zu positionieren, sei doch gerade der Sinn des Projekts, stellt Mehmet Senal klar. Unterschiede sind in der Tat reichlich zu erkennen — nicht nur zur Moschee, sondern auch zu anderen christlichen Kirchen. „Wo steht denn der Pfarrer, wenn er seine Rede hält”, interessiert sich eine Schülerin. Ein Kanzler gibt es in der Kirche am Bahnhof nicht, antwortet Pfarrerin Adams. Das habe das Mädchen ganz richtig beobachtet. Beim Gottesdienst werde vielmehr ein großer Tisch vor eines der Fenster gedrückt. Dort stehe sie dann und halte ihre Predigten, zu der immer häufiger auch Menschen aus dem Iran kämen, die Christen werden wollen. „Die Kirche ist offen für alle”, betont die Pfarrerin. Das hatte auch Imam Fatih Cakir gesagt: Jeder sei in der Moschee willkommen. Man habe Respekt vor anderen Religionen.